Aktuell macht der Russland-Ukraine-Konflikt die Verletzlichkeit Tirols durch die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen sichtbar. Heimische Energiequellen können hier Abhilfe schaffen, regionale Biowärme bietet Versorgungssicherheit. Erfolgreiche Beispiele sind die Anlagen in Gerlos und Strass im Zillertal.
Wenn die Skilifte in Gerlos schließen, beginnt für das seit 2013 bestehende Biomasse-Heizwerk im Ort die Lastspitzenzeit: Mit mehr als 4.000 Gästebetten in einer der höchstgelegenen Gemeinden des Zillertals wird ordentlich Energie von der Anlage gefordert. „Wir haben morgens und abends Leistungsspitzen, die massiv anspringen“, schildert Klaus Flörl, Geschäftsführer der Bioenergie Tirol GmbH. Abgefangen werden die geforderten Energiemengen durch Pufferkapazitäten; der Rest des Tages sei „business as usual“, „bei dem Wohnraum geheizt wird und wir konstant versorgen.“ Dabei ist die Anschlussdichte in Gerlos besonders hoch, über kurze Versorgungsnetze wird Wärme an zahlreiche Hotelbetriebe mit hoher Bettenzahl geliefert.
„Bei heimischen Ressourcen gibt es keine so radikalen Preisverwerfungen, wenn weitere geopolitische Konflikte auf uns zukämen.“
Klaus Flörl, Geschäftsführer der Bioenergie Tirol GmbH
Warum Nahwärme im Tourismusort derart boomt? „Gerlos ist schon wegen der baulichen Situation ein Best-of der Wärmeversorgung“, betont Flörl. Und weiter: „Links und rechts von der Hauptstraße fädeln sich die Großabnehmer wie auf einer Perlenkette auf.“ Auch wenn sich die Bioenergie Tirol Nahwärme GmbH für die Biomasse-Anlage verantwortlich zeichnet, so profitiert dennoch die ganze Region von dem Betrieb. Die Gemeinde Gerlos ist zusammen mit der Haas Installationen GmbH, die auch die Heizwarte stellt, Gesellschafter. „Das ist wirklich eine schöne Geschichte geworden. Die Mitarbeiter von Franz Haas, dem ‚Haus- und Hofinstallateur‘ in der Gemeinde, schmeißen sprichwörtlich den Laden dort oben“, drückt Flörl seine Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden aus. Zusätzlich können regionale Forstwirt:innen Gewinne durch den Verkauf ihres (Schad-)Holzes generieren, die Brennstoffbeschaffung passiert bei der Bioenergie Tirol zentral über die Forstservice-Abteilung des Maschinenrings. 125 Objekte sind aktuell in Gerlos angedockt – das spart 1,9 Millionen Liter Heizöl und 5.500 Tonnen CO2 im Jahr.
Anderswo in Strass im Zillertal sitzt eine weitere Biomasse-Anlage. Sie versorgt über das rund ein Kilometer kurze Fernwärmenetz das Schuldorf der Landwirtschaftlichen Landeslehranstalt Rotholz, die Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt in Tirol, die Bundesanstalt für Alpenländische Milchwirtschaft und die Landwirtschaftkammer Tirol respektive deren Samendepotstelle mit Wärme. „Das ist ein kleines, feines Projekt, mit dem wir seit 2007 in Betrieb sind“, beschreibt der Bioenergie Tirol-Geschäftsführer. Insbesondere zeichnet die Nahwärme-Anlage die Optimierung der Wärmerückgewinnung aus. Aus dem Rauchgas kann mittlerweile die Leistung geholt werden, welche die nach bester Effizienz errichtete HBLFA braucht. „Wir schaffen es sehr gut, dass wir die Leistung für die Objekte durch den Ofen und die Rückgewinnung erbringen können“, ergänzt Flörl. „Dadurch, dass wir hier so ein kurzes Fernrohrleitungsnetz haben, erreichen wir eine außerordentlich gute Gesamtanlagen-Effizienz. Wir machen keine leeren Meter.“ Und ebenso in Strass wird ordentlich eingespart: Durch die Biomasse-Anlage werden 600.000 Liter Heizöl und 1.740 Tonnen CO2 substituiert.
Seit Dezember 2021 sind die Gaspreise um ein Vielfaches gestiegen, die Ölpreise gehen weiterhin durch die Decke – das betrifft viele Tiroler:innen und schmerzt hierzulande in der Geldbörse. Auch Flörl meint: „Mit welchen kurzfristigen, dramatischen Verwerfungen die fossilen Schienen zu tun haben, das spüren wir leider momentan am eigenen Leib.“ Der Ausstieg aus Öl und Gas wird aber nicht ohne die Nutzung aller zur Verfügung stehenden heimischen Energiequellen möglich sein, so das Land Tirol in einer Aussendung. „Der Umbau unseres Energiesystems geht nicht von heute auf morgen, aber wir haben in Tirol einen klaren Fahrplan“, verspricht Energiereferent und Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Geisler. Klares Ziel sei die Energieautonomie und damit die Unabhängigkeit von Energieimporten und Preisdiktaten. Im zukünftigen Energiemix ist demnach auch Holz enthalten, worin Flörl großes Potential sieht: „Das zu verwenden, was vor unserer Haustüre wächst, macht sehr viel Sinn.“ Zudem spreche der stabile Holzpreis für sich. „Das bestätigt die Strategie, die heimischen Ressourcen zu nutzen.“ Tirol deckt seinen Energiebedarf aktuell zu 57 Prozent aus fossilen Quellen, bis 2050 will sich das Bundesland bilanziell mit erneuerbarer Energie versorgen.
Doch die Biomasse-Heizwerke Gerlos und Strass im Zillertal sind nicht die einzigen im Bezirk Schwaz, die klimaneutrale Wärme direkt und komfortabel zu der Bevölkerung bringen; weitere Mitgliedsanlagen der Biowärme Tirol sind unter anderem in Fügen, Terfens, Hart im Zillertal, Vomp und Schwaz ansässig. So viele engagierte Betreiber:innen sind notwendig, denn: Die klimaneutrale Wärmeversorgung ist eine der größten Herausforderungen der Zukunft. Alleine in Tirol sind bis 2035 rund 60.000 Ölheizungen zu tauschen. Auf Bezirksebene liegen keine offiziellen Zahlen vor, die Biowärme Tirol schätzt die Anzahl im Bezirk Schwaz aber auf rund 6.400 Anlagen.
Und die Zeit rennt beim Tausch – bis 2025 müssen Anlagen, die älter als 25 Jahre sind, ausgewechselt werden. Es besteht also in den nächsten drei Jahren Handlungsbedarf bei allen Heizanlagen, die vor der Jahrtausendwende eingebaut wurden. Ein Glück, dass die Umstände gerade so günstig wie nie sind, welche Andreas Moser, Koordinator der Biowärme Tirol, näher beschreibt: „Gerade im Bereich der privaten Haushalte sind die ‚Raus aus Öl und Gas‘-Förderungen durch Land und Bund gegenwärtig sehr hoch und können bei niedrigen Einkommen bis zu 100 Prozent betragen.“ 1.400 Ansuchen aus Tirol hat es bis zum 31. Jänner 2022 bereits gegeben. Die Bundesförderung ist ferner mit der Tiroler Wohnbauförderung kombinierbar, eine Beratung durch die Energie Tirol im Vorfeld ist zu empfehlen. „Fördermöglichkeiten werden auch durch unseren Förderrechner ersichtlich“, betont er. An der Nahwärme Interessierte finden alle Betriebe zum „Andocken“ auf der Geo-Landkarte der Biowärme Tirol.
Bei Fragen steht Ihnen Biowärme-Koordinator DI Andreas Moser (0664/1635105 oder info@biowaerme.tirol) gerne zur Verfügung.
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Credit: Bioenergie Tirol GmbH
BU-Vorschlag: Das Biomasse-Heizwerk in Rotholz zeichnet sich durch die besonders effiziente Optimierung der Wärmerückgewinnung aus.
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BU-Vorschlag: Die Biomasse-Anlage in Gerlos spart 1,9 Millionen Liter Heizöl und 5.500 Tonnen CO2 im Jahr.
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Credit: Bioenergie Tirol GmbH
BU-Vorschlag: Gerlos ist wegen seiner baulichen Situation für solch eine Wärmeversorgung prädestiniert.