Nachverdichtung und Netzerweiterungen in Tirols Wärmenetzen

Freiwerdendes Energiepotenzial kann genutzt werden, um neue Gebäude oder ganze Siedlungen in das Wärmenetz zu integrieren

Nachverdichtung und Netzerweiterungen in Tirols Wärmenetzen

Mit gezielter Nachverdichtung und Netzerweiterungen wird die bestehende Infrastruktur effizienter genutzt und neue Anschlusspotenziale erschlossen. Fünf Beispiele aus Tirol zeigen, wie Wärmelieferanten klimafreundliche, regionale Lösungen erweitern und einen nächsten Schritt hin zu 100 % erneuerbarer Wärmeversorgung machen.

Die Wärmewende ist eine der zentralen Herausforderungen im Kampf gegen die Klimakrise. Während große Wärmeversorger östlich von Tirol erst in den vergangenen Jahren begonnen haben, sich von fossilen Primärenergieträgern wie Öl oder Gas zu lösen, gibt es in Westösterreich keine Wärmenetze, die nicht zu mindestens 80 Prozent CO2-neutral beheizt werden. In Tirol wird bereits seit Jahrzehnten an Lösungen gearbeitet, die klimafreundlich, regional und wirtschaftlich tragfähig sind, sodass eine 100 Prozent CO2-neutrale Wärmeversorgung immer näher rückt.

Besonderes Augenmerk liegt auf der Nachverdichtung und Netzerweiterungen, also der besseren Ausnutzung bestehender Wärmenetze und der Erschließung neuer Siedlungsgebiete. Das Ziel: mehr Haushalten, Betrieben und öffentliche Einrichtungen eine Versorgung mit regionaler, erneuerbarer Wärme anzubieten – aus Biomasse, Abwärme oder anderen erneuerbaren Energieträgern.

Ist-Stand: Fünf Beispiele aus Tirol

  1.  Kufstein – Fernwärme mit System
    Die Bioenergie Kufstein, ein Gemeinschaftsunternehmen der Stadtwerke Kufstein und TIWAG, betreibt eines der größten und leistungsstärksten Biomasse-Heizkraftwerke Österreichs. Über das Fernwärmenetz werden rund 6.500 Haushalte sowie Schulen, Unternehmen und Wohnanlagen versorgt. Herzstück ist eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage (KWK) im Stadtteil Endach, die gleichzeitig Wärme und Ökostrom produziert. Aktuell investiert man im Stadtteil Zell mit der Errichtung eines Ausfall- und Spitzenlastheizwerks konsequent in die Versorgungssicherheit. Auch die Nachverdichtung im bestehenden Netz hat in Kufstein Priorität. Bereits heute werden rund 70 Prozent des gesamten Wärmebedarfs der Stadt durch Fernwärme abgedeckt.
  2. Wörgl – Abwärme als Energiequelle
    Die Stadtwerke Wörgl nutzen rund zwei Drittel industrielle Abwärme der Tirol Milch, ein Teil davon durch Biomasse und seit 2025 wurde die Wärmeerzeugung um die neue Power2Heat-Anlage erweitert. Durch gezielte Netzerweiterungen in Siedlungsgebieten wie der Bahnhofstraße, der Brixentaler Straße oder der Ladestraße entstehen neue Anschlusspunkte für Wohnbauten und Gewerbe. Bis Jahresende sollen rund 35 neue Objekte ans Fernwärmenetz angeschlossen werden.
  3. Terfens – Pioniergemeinde mit Weitblick
    Als erste Gemeinde Tirols startete Terfens bereits 1992 mit einem Biomasse-Nahwärmenetz – und beweist damit, dass auch kleinere Orte eine zukunftssichere, erneuerbare Wärmeversorgung umsetzen können. Über drei Jahrzehnte hinweg wurde das Netz kontinuierlich erweitert und modernisiert: 2024 erfolgte die Erschließung des Ortsteils Neu‑Terfens.
  4. St. Johann – Wärme aus der Region
    Die Ortswärme St. Johann in Tirol versorgt rund 900 Objekte in St. Johann und Oberndorf – darunter öffentliche Einrichtungen wie das Bezirkskrankenhaus sowie Ein- und Mehrfamilienhäuser. Betrieben wird die Anlage mit vorhandener Energie aus der Region: Etwa 50 Prozent der Wärme stammt aus Abwärme des Egger-Werks und einer Biogasanlage, weitere 40 Prozent werden über eine biomassebetriebene Absorptionswärmepumpe erzeugt. In den letzten Jahren wurden gezielt neue Straßenzüge erschlossen, was die Anschlussquote spürbar erhöht hat.
  5. Hall – Ausbau in den Nachbargemeinden
    Die Hall AG treibt den Netzausbau der Fernwärme in Mils, Absam und Hall aktiv voran: In Mils wurde die Schützenstraße (von der Kreuzung Müllerfeld/Schützenstraße bis zur Milser‑Heide‑Straße) sowie der Archenweg erschlossen, während in Absam die Erweiterung der Dörferstraße West bis zum Bürgermeister‑Wechselberger‑Weg umgesetzt wurde. Gleichzeitig wurde in Hall der Ausbau entlang der Alten Landstraße fortgesetzt – jeweils in Kombination mit weiteren Infrastrukturarbeiten.

Handlungsbedarf und Potenziale: Nachverdichtung als Schlüssel zur Effizienz

Die Wärmewende in Tirol ist in vollem Gange – doch damit die bestehenden Netze ihr volles Potenzial entfalten können, braucht es gezielte Nachverdichtungen und Erweiterungen. Denn durch thermische Sanierungen und die Auswirkungen des Klimawandels sinkt der Wärmebedarf, gleichzeitig entsteht dadurch neues Potenzial in bestehenden Netzen. Dieses freiwerdende Energiepotenzial kann genutzt werden, um neue Gebäude oder ganze Siedlungen in das Wärmenetz zu integrieren – wie es zahlreiche Tiroler Gemeinden bereits erfolgreich vormachen.

Jede/r noch nicht angeschlossene Hausbesitzer:in kann einen wichtigen Beitrag leisten – und dabei selbst profitieren. Ein Fernwärmeanschluss bringt nicht nur ökologischen, sondern auch praktischen und wirtschaftlichen Nutzen mit sich:

  • Komfortabel und unkompliziert: Wärmekund:innen werden direkt mit heißem Wasser versorgt – ohne Aufwand für Brennstofflagerung, Kesselbetrieb oder Wartung. Verschmutzungen vor Ort beim/bei der Kund:in entfallen zur Gänze. Zudem benötigt die Übergabestation im Gebäude kaum Platz und ist nahezu wartungsfrei.
  • Klimafreundlich und emissionsarm: Fernwärme reduziert den CO2-Ausstoß um bis zu 90 Prozent – Rauch und Ruß entfallen. Das verbessert die Luftqualität.
  • Kostensicher und transparent: Die Preisentwicklung bei Fernwärme ist langfristig überschaubar und nachvollziehbar – ohne Abhängigkeit von schwankenden Brennstoffmärkten. Instandhaltungsarbeiten sind bereits inkludiert.
  • Attraktive Förderung: Das Land Tirol unterstützt den Anschluss an die Fernwärme mit der höchsten Förderstufe. Hausbesitzer:innen, die an die Fernwärme anschließen, erhalten einen respektablen Teil ihrer Investitionskosten wieder zurück.
  • Versorgungssicher und unabhängig: Die Heizwerke setzen auf mehrere Energiequellen – Biomasse, Wärmepumpen, Pufferspeicher und Backup-Systeme sorgen für hohe Ausfallsicherheit. Zudem sind die in den Werken errichteten Anlagen auf höchste Verfügbarkeit ausgelegt. Dank regionaler Ressourcen besteht ferner keine Abhängigkeit von fossilen Energieimporten.
  • Sicherheit im Betrieb: Im Fernwärmenetz zirkuliert ausschließlich heißes Wasser – damit entfallen Explosions- oder Brandgefahren beim/bei der Endkund:in vollständig.

tirisMaps zeigt die Verfügbarkeit:

Hinweis: Klicken Sie in der interaktiven Karte bitte auf das Themenfeld „Energie“, um die Energiedaten anzuzeigen.

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Blick nach vorne: Wärmenetze der Zukunft

Tirol setzt bereits heute wichtige Impulse für die Wärmewende – und die nächsten Schritte sind klar: In den kommenden Jahren sollen immer mehr Gemeinden und Betreiber:innen ihre bestehenden Wärmenetze gezielt verdichten und ausbauen. Dabei gewinnen auch neue Konzepte an Bedeutung – etwa die intelligente Verknüpfung von Sektoren. Kooperationen mit Industriepartnern zur Nutzung von Abwärme, der verstärkte Einsatz von Photovoltaik in Kombination mit Wärmespeichern sowie moderne Technologien wie Power-to-Heat schaffen flexible, zukunftsfähige Lösungen.

Gleichzeitig stärkt der Ausbau regionaler Wärmenetze die heimische Wirtschaft: Lokale Ressourcen bedeuten regionale Wertschöpfung und weniger Abhängigkeit von fossilen Energieimporten. Tirol zeigt damit, wie die Wärmewende vor Ort gelingen kann. Nachverdichtung und Netzerweiterung sind dabei keine Schlagworte – sie werden in zahlreichen Gemeinden bereits konkret umgesetzt. Mit einem starken Netzwerk wie der BioWärme Tirol und dem gemeinsamen Willen zur Transformation rückt das Ziel von 100 Prozent erneuerbarer Wärmeversorgung Schritt für Schritt näher – Gemeinde für Gemeinde, Region für Region.

Bildquelle:
Hall AG / Stadtwerke Wörgl / Ortswärme St. Johann
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