Gemeinsam für die Energiewende: „Ich sehe die Ortswärme als Partner der Bewohner von Seefeld“

„Think big“ und Vorausdenken war von Anbeginn Devise in Seefeld

Gemeinsam für die Energiewende: „Ich sehe die Ortswärme als Partner der Bewohner von Seefeld“

Vom Biomasse-Heizwerk bis zu innovativen Energiegemeinschaften – Seefeld zeigt, wie lokale Energiewende gelingen kann. Bürgermeisterin Andrea Neuner spricht im Interview über die erfolgreiche Zusammenarbeit der Gemeinde Seefeld mit der Bio-Ortswärme, die Bedeutung regionaler Energieversorgung und den Weg zu einer klimafreundlichen Zukunft.

In Seefeld haben die Gemeinde und die Bio-Ortswärme gemeinsam ein nachhaltiges Modell konzipiert, Mitte der 2000er-Jahren umgesetzt und entwickeln es bis heute weiter, zuletzt mit einer neuen Wärmepumpenanlage, die Ökoenergie aus Abwasser und Rauchgas möglich macht. Damit ist man inzwischen weit mehr als „nur“ Biomasse-Nahwärme: Mit zehn Photovoltaik-Anlagen, die grünen Sonnenstrom für die lokale Versorgung liefern, klimafreundlichem Kältemittel für die Wärmepumpen und Pufferspeichern im „Tiroler Stadl“ beim Bahnhof und der WM-Halle hat man weitere Schritte im Kreislaufdenken gesetzt. „Ich sehe die Ortswärme als Partner der Bewohner von Seefeld, denn wir schaffen hier eine nachhaltige und saubere Energieversorgung ohne individuellen technischen Aufwand in den Gebäuden“, sagt Bürgermeisterin Andrea Neuner. Innovation lebe aber auch vom Teilen, wie sie bekräftigt, weshalb der Austausch von essentieller Bedeutung sei: „Wir sind zwar alle eigene wirtschaftliche Einheiten, aber hier kämpfen wir gemeinsam an der Klimafront. Die BioWärme Tirol als Verband bietet da eine gute Plattform.“

Im Gespräch mit Andrea Neuner

BioWärme Tirol: Die Gemeinde und Bio-Ortswärme Seefeld arbeiten eng zusammen. Wie wichtig ist eine gute Zusammenarbeit, um alles am Laufen zu halten?
Andrea Neuner: Eine gute Zusammenarbeit hat die Ortswärme Seefeld schon immer geprägt. Die Gemeinde Seefeld und die Ortswärme haben gemeinsam ein nachhaltiges Modell konzeptioniert, umgesetzt und bis heute weiterentwickelt. Dabei geht es nicht nur um die Geschäftsmeetings, da geht es auch darum, dass beide Partner hier auch kurzfristig ein offenes Ohr für die Belange des jeweils anderen haben. Ohne diese Zusammenarbeit würden nicht beide Partner zuversichtlich nach vorn schauen können und eine ökologische Zukunft weiter bauen.

Welche konkreten Vorteile hat die Gemeinde durch das Heizwerk in Bezug auf die zuverlässige Energieversorgung, aber auch die Reduktion der CO₂-Emissionen?
Die Ortswärme Seefeld hat die Versorgungssicherheit für die Gemeinde Seefeld schon immer als oberstes Geschäftsziel gesehen. Wir sind inzwischen weit mehr als „nur“ Biomasse-Fernwärme. Wir verfolgen Projekte im Bereich Photovoltaik, Wärmepumpen, Wasserkraft und Kreislaufwirtschaft mit der Wärme aus Abwasser. Wir entwickeln Energiegemeinschaften, um die Gemeinde und unsere Betriebe mit dem zu versorgen, was wir auch selbst produzieren können. Unser Beitrag zur Reduktion der CO₂-Emissionen ist aus meiner Sicht nicht erst seit dem Pariser Abkommen sehr umfangreich. Die Stabilität dieser Versorgung, auch wenn die Sonne mal nicht scheint, ist für uns weiterhin Antrieb, um über neue Lösungen nachzudenken.

Inwiefern hat das Biomasse-Heizwerk die lokale Energiewende in Seefeld vorangetrieben?
Wir arbeiten mit dem Verband in Tirol zusammen, um die Idee von lokalen Energieversorgern auszudehnen und gleichzeitig voneinander zu lernen. Mit dem Biomassewerk haben wir Mitte der 2000er-Jahre bereits weit vorausgedacht, um CO₂ äquivalente Emissionen zu reduzieren und die Versorgung von fossilen Energielieferanten zu entkoppeln. Das entlastet unsere Netze und stärkt die Versorgungssicherheit nachhaltig. Wir haben schon früh begonnen, unser Ortswärmenetz zu erweitern und zu verdichten und mehr Gebäude anzuschließen.

Parallel sind wir auf die Ideenentwicklung für neue Lösungen eingegangen. Nicht nur, weil sich die Preisentwicklungen am Energiemarkt sehr volatil darstellen, sondern auch, weil uns klar war, dass auf die Energieversorgung neue und umfangreichere Herausforderungen zukommen werden. Davon profitiert die Gemeinde nun. Ich sehe die Ortswärme als Partner der Bewohner von Seefeld, denn wir schaffen hier eine nachhaltige und saubere Energieversorgung ohne individuellen technischen Aufwand in den Gebäuden. Das hilft allen, vom Privatmann bis zu Gewerbe- und Hotellerie-Objekten, die von sauberer Luft, von sauberem Wasser und von sinnvoller Energieversorgung profitieren.

Wie wichtig ist der Austausch unter den Tiroler Gemeinden, wenn ähnliche Nahwärme-Projekte umgesetzt oder geplant werden?
Der Austausch ist für uns von essentieller Bedeutung, weil wir Ideen tauschen. Das Netzwerk strotzt in der Regel vor neuen Ideen. Wer da Vorreiter ist, der teilt die Idee und auch die Lessons Learned aus den entsprechenden Projekten. Wir sind zwar alle eigene wirtschaftliche Einheiten, aber hier kämpfen wir gemeinsam an der Klimafront. Die BioWärme Tirol als Verband bietet da eine gute Plattform. Innovation lebt vom Teilen, so wie Volvo vor langer Zeit den 3-Punkt-Gurt nicht patentiert hat, damit er auch bei anderen Fahrzeugherstellern Leben rettet, so teilen wir und unsere Partner Ideen, damit wir alle davon profitieren können. Klimarettung ist kein Einzelkämpfertum, sondern eine gemeinsame Leistung, bei der jeder Egoist verliert.

Gibt es Erfahrungswerte, die Sie hinsichtlich der „Ortswärme aus Biomasse“ gemacht haben, die Sie anderen Gemeinden mit auf den Weg geben wollen?
„Think big“ und Vorausdenken war von Anbeginn unsere Devise. Wir verfolgen gemeinsam mit unseren langjährigen Partnern konsequent unsere Vision, die da lautet: „Die Ortswärme ist ökologisch, nachhaltig, so unabhängig wie möglich von fossiler Energie durch regionale Wertschöpfung und ökonomisch erfolgreich.“ Wir matchen unsere anstehenden Entscheidungen damit. Ansonsten haben wir sehr gute Erfahrungen mit Speicherlösungen für die Erweiterungen gemacht. Energiemanagement und Lastmanagement ist bei uns gelebte Praxis. Bei technologischen Entwicklungen hat sich bewährt, bereits bei der Projektierung das Potential von Erweiterungen zu bedenken.

Wir fahren aktuell sehr gut damit, aber auch wir stoßen oft an regulatorische und juristische Grenzen. Vom Platz für Erweiterungen ganz zu schweigen. Aber auch hier hilft der Austausch zwischen der Ortswärme und der Gemeinde. Eine offene Kommunikation, um auszuloten wie es gehen kann, was dafür notwendig ist und welche Szenarien man sich ökologisch, ökonomisch und sozial vorstellen kann, ist der Dreh- und Angelpunkt in unserer Partnerschaft.

Bildquelle:
Tanja Cammerlander / Ortswärme Seefeld
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